Wie ich zum Aufräumcoaching kam, weiss ich nicht mehr so genau. Es gab nicht den Moment, in dem es mich durchfuhr „ich werde Aufräumcoach“. Die Themen, die mit dem Aufräumcoaching verbunden sind, waren immer schon da, interessierten mich, gerade weil sie so vielfältig sind und man sofort beim Wesentlichen ist; wie wohnen wir, welche Dinge besitzen wir und was kann und wollen wir nicht loslassen.
Aufräumen macht glücklich, bringt Energie und Leichtigkeit ins Leben. Natürlich ist es nicht so einfach, auch wenn mein Leitspruch lautet „einfach machen“. Für viele ist es ein unbezwingbarer Berg von Sachen, über die sie den Überblick verloren haben. Da ist auch Scham über das eigene Versagen, nicht genug organisiert und strukturiert zu sein. Im Zusammenhang mit Scham hat die Forscherin Brené Brown festgestellt, dass Menschen mit einem starken Gefühl von Zugehörigkeit besser mit dem „Unperferkten“ umgehen können. So spielen Begriffe wie Heimat, daheim sein, sich heimisch fühlen, eben sich zugehörig fühlen, beim Aufräumen auch eine Rolle. Das ist das was mich fasziniert, dass es beim Aufräumen nicht so sehr um die Ordnung geht, sondern um viel umfassendere Dinge. Vorallem wenn das Aufräumen schwer fällt, wenn es immer etwas wichtigeres zu tun gibt und einem die Dinge schliesslich über den Kopf wachsen. Auch finde ich es interessant, dass wir kein deutsches Wort für messie haben. Gerade in Deutschland und in der Schweiz beobachte ich, dass nicht ordentlich zu sein ein grosses Tabu ist und Hilfe nur schwer angenommen wird. Im englischen Sprachraum tut man sich leichter damit. „Just do it“, das Probieren und etwas neues zu wagen ist wichtiger als das lange darüber Nachdenken und wenn es schiefgeht „so what!“, wichtig ist man hat es probiert. Im Englischen ist ein messie ein „hoarder“, jemand der viele Dinge besitzt, sammelt, bewusst oder unbewusst. In meiner Herkunftfamilie gibt es meines Wissens keine Sammler. Besitz wurde veräussert, meistens eher unfreiwillig und aus wirtschaftlichen Gründen. Heimat ist für mich ein abstrakter Begriff. Meine Eltern und Schweizer Grosseltern sind „Weggegangene“, der Veränderungsmuskel war gut trainiert, Heimaten gab es mehrere oder gar keine. Im Englischen gibt es keine wörtliche Übersetzung von Heimat, am nächsten kommt „home“. Für mich ist Heimat im Deutschen ein Ort und in den anderen Sprachen, die ich spreche eher ein Gefühl. „Home ist where the heart is“. Beim Aufräumen helfen, möchte ich den Leuten Mut machen sich auf diese Themen und den Prozess des Aufräumens einzulassen. Aufräumcoaching ist selten schnell gemacht und in ein, zwei Tagen erledigt. Wenn sich viel angehäuft hat in Keller, Estrich Schlafzimmer und Büro dauert das Loslassen eine Weile und Durchhänger gehören dazu. In der Rolle des Coach begleite ich meine Kunden durch diesen Prozess, ich erinnere sie an ihre Ziele, wenn sie vor lauter Dingen das Licht am Ende des Tunnels nicht mehr sehen. Ich bringe eine neue Energie in ihre Wohnungen und versuche mit den richtigen Fragen die Kunden in eine lösungs- und nicht problemorientierte Haltung zu bringen. Wenn ich über Ästhetik, Ordnung und System hinaus gehe und mich daheim und wohl in meiner zweiten Haut fühle, die das Haus und die Wohnung neben Kleidern auch ist, dann stosse ich auf Leere, die es auszuhalten gilt und sehr wahrscheinlich auf Schmerz und ungelöste Konflikte. Die Erinnerungen sind mit den Dingen verknüpft, im Guten und im Schlechten. Was wir anhäufen, konsumieren, ansammeln lenkt uns ab vom Schmerz. Die Zen-Leere halte ich nur dann aus, wenn ich mich dem Unangenehmenen gestellt habe und mich auch mal gefragt habe; ist das nun meins oder trage ich schwer für jemand anderst? Die Epigenetik belegt, dass traumatische Erfahrungen auch über Generationen weiter getragen werden. Ein Krieg oder andere existentielle Bedrohungen hinterlassen ihre Spuren für 1-3 Generationen im Familiensystem. Schliesslich geht es auch darum, die Einfachheit des Lebens zu verstehen. Das sind grosse Worte in Zeiten der Selbstdefinierung über Konsum. Das einfache Glück kann eine aufgeräumte Wohnung sein, in die ich nach einem stressigen Tag zurück kehre oder eine hübsche Teetasse, aus der schon meine Grossmutter gerne ihren Tee getrunken hat. *inspiriert vom gleichnamigen Beitrag bei "das Magazin", wöchentliche Beilage vom Tages Anzeiger und anderen Zeitungen. |
Details
AuthorChristine Braun, Raumcoach: "schreiben macht mich glücklich und zufrieden. Die Dinge und Gedanken, die mich beschäftigen auf Papier zu bringen, gibt mir Ruhe und Klarheit. Eine Art Aufräumeprozess für den Kopf". Archives
February 2024
Categories |