Vor einem halben Jahr bin ich nach fast 20 Jahren „Stadtleben“ wieder Richtung Land gezogen. Mein Mann hat ein Haus geerbt, das am Stadtrand in einem Gewerbegebiet, in der Nähe von Wald, Auto- und Eisenbahn, Rangierbahnhof und Schrebergärten steht.
Es heisst wieder neu anfangen, neu einleben und ankommen. Dieser Prozess braucht Zeit und Geduld. Am Anfang ist vieles fremd und die Gewohnheit lässt mich meine alten Stadtflaneurin-Wege vermissen. Es ist ein gewöhnen an Umstände, die mir noch fremd sind, weil sie neu sind. Ich versuche mich auf’s Positive auszurichten. Die Spaziergänge im nahen Wald tun mir gut. Ich eigne sie mir an und verorte mich gleichzeitig. Kürzlich hat mich eine ältere Dame mit weissem, kleinen Hund mit „Bonjour“ begrüsst, mir war als hätte ich sie schon mal gesehen. In der Stadt bin auf meinen regelmässigen Runden durch den Park oft neuen und unbekannten Gesichtern begegnet. Eine Rolle spielt sicher, wie ich mit dem Thema in Berührung gekommen bin. Musste ich selber schon mal umziehen? Was für Erfahrungen machten meine Eltern und Grosseltern? Mussten sie ihre Heimat verlassen oder sogar den Kulturkreis wechseln, eine neue Sprache lernen? Womit wir bei Begriffen wie Heimat und Herkunft landen. Ich habe einen ambivalenten Zugang dazu, was durch meine Geschichte und die meiner Eltern und Schweizer Grosseltern geprägt ist. Martina Clavadetscher spricht in einer Besprechung über ihr Buch „die Erfindung des Ungehorsams“ von der Herkunft, die ein Konstrukt bleibt. Sie ist der Meinung, dass es Erzählungen und Erinnerungen sind, die uns ausmachen. Erinnerungen sind jedoch nichts starres, fixes. Sie verändern sich und so auch unser Ich, mit jeder neuen Erfahrung, die wir machen. Über Heimat sagt Adolf Muschg, Schriftsteller in einem Interview: „Ich stelle mir beim Begriff Heimat die Frage, was brauche ich zum Leben? Bei mir sind es die Freunde und das Schreiben“. Das ist eine positive und selbstwirksame Angehensweise. Es geht um die Wahrnehmung und Bewusstwerdung der eigenen Bedürfnisse, die wie ich bei meiner Arbeit als Raumcoach beobachte, eine wichtige Rolle spielen bei allen Themen rund ums Aufräumen, Ankommen, leichter werden und wohlfühlen zuhause. Eine neue, ungewohnte Umgebung konfrontiert uns mit uns selber, was Ängste und Unsicherheiten auslösen kann. So lernen wir im Prozess des Ankommens viel über uns selber. Zeichnung cb 2013, Waldrand Luterbach/Oftringen Comments are closed.
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AuthorChristine Braun, Raumcoach: "schreiben macht mich glücklich und zufrieden. Die Dinge und Gedanken, die mich beschäftigen auf Papier zu bringen, gibt mir Ruhe und Klarheit. Eine Art Aufräumeprozess für den Kopf". Archives
February 2024
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